Essstörungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen bei Mädchen und jungen Frauen. Sie entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Biologische, psychische, familiäre und soziokulturelle Ursachen greifen ineinander und beeinflussen oder verstärken sich gegenseitig.
Welche Anzeichen können auf eine Essstörung hindeuten?
Bei Essstörungen finden sich typischerweise zielorientierte Verhaltensweisen zur Gewichtskontrolle:
oftmaliges Wiegen, Umfangmessung von Körperteilen
Vermeidung von hochkalorischen, fetthaltigen oder kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln
Auslassen von einzelnen Gängen oder ganzen Mahlzeiten
Kauen und wieder Ausspucken von Nahrung
zwanghaftes Kalorienzählen, Abwiegen von Speisen
Vermeiden von Speisen, deren Kaloriengehalt nicht eindeutig bestimmbar ist
Verwendung von Süßstoffen, Fettersatzstoffen oder Light-Produkten
Verwendung von Appetitzüglern als Appetitkontrolle
exzessiver Konsum von Flüssigkeit vor den Mahlzeiten
nicht in Gemeinschaft essen
Nutzung von einengenden Bauchgürteln, beengender Kleidung oder Muskelanspannung, um beim Essen ein frühzeitiges Völlegefühl zu erzeugen
Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen, wobei Mischformen häufig und die Übergänge fließend sind. Die Häufigkeit von Essstörungen ist aufgrund der anzunehmenden Dunkelziffer nur schwer exakt zu bestimmen.
Magersucht (Anorexia nervosa)
Charakteristisch für die Magersucht ist ein extremer, selbst herbeigeführter Gewichtsverlust. Durch Fasten, Erbrechen, aber auch die Anwendung von Abführ- und/oder Entwässerungsmitteln wird eine starke Unterernährung erreicht. Magersucht betrifft überwiegend das weibliche Geschlecht (ca. 90%) und tritt gehäuft im Alter zwischen 10 und 25 Jahren auf.
Typische Merkmale der Magersucht sind:
strikte Kontrolle der Nahrungsaufnahme
ausgeprägte Ängste vor Gewichtszunahme
Ausbleiben der Monatsblutung
gesteigerter Bewegungsdrang
körperliche Beschwerden: BMI unter 17,5, Kreislaufprobleme, Mangelerscheinungen durch Vitamin- und Mineralstoffmangel, Absinken der Körpertemperatur, Muskelschwäche, Haarausfall, Ausbleiben der Menstration (an mindestens drei aufeinanderfolgenden Zyklen), Schilddrüsenunterfunktion, Osteoporose
psychische Auswirkungen: Stimmungsschwankungen, sozialer Rückzug, Störung der Körperwahrnehmung, Schlafstörungen , innere Unruhe
Erfolgt keine Behandlung, kann die Erkrankung chronisch werden. Für einen geringen Prozentsatz der Erkrankten kann die Magersucht tödlich enden. Häufigste Todesursachen sind Herzversagen und Suizid.
Bulimie (Ess-Brech-Sucht, Bulimia nervosa)
Bulimie ist gekennzeichnet durch die unkontrollierte Aufnahme von kalorienreicher Nahrung und den anschließenden Versuch, diese durch selbst herbeigeführtes Erbrechen oder andere Kompensationsmaßnahmen wie Abführmittel ungeschehen zu machen. Bei den wiederholten Essattacken werden bis zu 10.000 Kalorien in sehr kurzer Zeit aufgenommen. Bulimie tritt mit einer Häufigkeit von 1–9% überwiegend bei Frauen auf. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 15–30 Jahren, etwas höher als bei der Magersucht. Der Anteil bei Buben und Männern ist allerdings im Steigen.
Typische Merkmale der Bulimie sind:
Patientinnen sind meist normal- bis übergewichtig
andauernde Beschäftigung mit Essen
wiederholte Episoden von Fressattacken
krankhafte Angst, dick zu werden
Zahnschäden durch Magensäure
Herzrhythmusstörungen und Muskelschwäche durch Elektrolytstörungen
Schädigung der Darmwand
geschwollene Speicheldrüsen durch das häufige Erbrechen
Osteoporose
Stimmungsschwankungen, Schamgefühl, sozialer Rückzug
Binge-Eating (Esssucht ohne Erbrechen)
Als Binge-Eating bezeichnet man episodisch – über sechs Monate hinweg mindestens zweimal pro Woche – auftretende Essanfälle, bei denen die Patienten die Kontrolle darüber verlieren, was und wie viel sie essen. Die Nahrung wird, ohne ein Hungergefühl zu spüren, aufgenommen und es wird so lange gegessen, bis sich ein belastendes Völlegefühl einstellt. Im Gegensatz zur Bulimie werden aber keine Maßnahmen gesetzt, um einer Gewichtszunahme vorzubeugen. Binge-Eating-Patienten sind daher häufig übergewichtig oder sogar adipös, dennoch leidet nicht jeder Mensch mit Gewichtsproblemen an Binge-Eating. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Diagnose
Die Diagnose kann in der Regel nach einem ausführlichen Gespräch gestellt werden. Folgende Untersuchungen geben Auskunft über mögliche gesundheitliche Schäden, die durch die Essstörung bereits eingetreten sein könnten:
Gewichtsbestimmung, Körpergröße, Ermittlung des BMI (Body-Mass-Index)
Messung von Blutdruck, Puls
Kontrolle auf Ödeme
Untersuchung der Herzfunktion
Blut- und Urinuntersuchung
Untersuchung von Leber und Niere
Behandlung
Essstörungen müssen in jedem Fall professionell behandelt werden. Je früher Betroffene Hilfe annehmen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Behandlung. Aus Schamgefühl wird oftmals versucht, die Erkrankung über lange Zeit geheim zu halten. Zudem befürchten insbesondere Kinder und Jugendliche, ihre Eltern zu enttäuschen.
Erste Anlaufstelle für Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen ist der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie (für Erwachsene der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie), ein Psychotherapeut oder eine Spezialambulanz für Essstörungen. Abhängig von der Art und Schwere der Essstörung kann die Therapie ambulant, tagesklinisch oder stationär erfolgen. Ziel der Therapie sind die Normalisierung des Essverhaltens, die Behandlung von psychischen Problemen und die Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit.
Quelle: netdoctor