Übergewicht und die damit assoziierten Folgekrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebs nehmen weltweit zu. Noch immer werden Übergewichtige stigmatisiert und dem Übergewichtigen werden mangelnde Selbstkontrolle in der Auswahl und Menge der Nahrungszufuhr, sowie mangelnde körperliche Aktivität infolge einer generellen phlegmatischen Haltung unterstellt.
Die Kontrolle des Energiehaushaltes ist allerdings ein komplexes und ausgeklügeltes System, bei dem zahlreiche Organsysteme involviert sind. Der freie Wille und die Selbstkontrolle machen hier nur einen kleinen Teil aus, während die Prozesse zur Regulation des Energiehaushaltes vorwiegend unbewusst ablaufen und nebst zentralnervösen Strukturen wie Hypothalamus und Hirnstamm, den Gastrointestinaltrakt sowie das Fett- und Muskelgewebe einschließen.
Ein Mechanismus, der bei Appetitregulation eine wichtige Rolle spielt, ist die Freisetzung von Sättigungshormonen. Die Schleimhaut des Dünndarms besteht aus 90% gewöhnlichen Darmzellen, sogenannten Enterozyten, die für die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen verantwortlich sind, sowie aus 10% schleimproduzierenden Zellen.Daneben gibt es aber hochspezialisierte Zellen-die sogenannten enteroendokrinen Zellen-die zwar nur 1% der Zellpopulation ausmachen, in ihrer Gesamtheit aber das größte endokrine Organ des menschlichen Körpers darstellen.
Diese Zellen verfügen an ihrer Oberfläche über zahlreiche Rezeptoren, über die der Darminhalt laufend analysiert wird. Diese Zellen sind in der Lage, Peptide (Sättigungshormone) herzustellen. Abhängig vom Inhalt des vorbeiziehenden Speisebreis werden diese Sättigungshormone ins Blut abgegeben und signalisieren somit, dass genügend Nahrung zugeführt würde und die Mahlzeit beendet werden kann. Übergewichtige besitzen ein vermindertes Sättigungsgefühl und die im Blut zirkulierenden Sättigungshormone nach einer Mahlzeit sind im Vergleich zu Normalgewichtigen deutlich reduziert.
Weiters zeigt sich, dass die Anzahl an enteroendokrinen Zellen bei den Übergewichtigen signifikant niedriger sind als bei Normalgewichtigen.
Sättigungshormone wirken an zahlreichen Endorganen gleichzeitig: im Gehirn (Sättigungsgefühl), Pnakreas (Modulation der Insulin- und Glukagonfreisetzung), Leber (Anpassung der Gluconeogenese), Muskelgewebe (Insulinsensitivität), Niere (Natriurese) und Fettgewebe (Anpassung der Lipolyse, Thermogenes) usw.
Es ist wichtig, die Adipositas als eine Krankheit mit reproduzierbaren Veränderungen in der Energie- und Sättigungsregulation zu begreifen und der Stigmatisierung entgegenzuwirken.
Quelle: Darmschleimhaut und Übergewicht, Nutrition-News, Jahrgang 15, Ausgabe1/18, Seite 11-12
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